E-Mail-Marketing 2025: Zwischen Boom, Blindflug und Barrierefreiheit

Dieser Artikel fasst zentrale Erkenntnisse der Studie «E-Mail-Marketing Benchmarks 2025» von absolit Dr. Schwarz Consulting zusammen. Analysiert wurden über 5’000 Unternehmen aus der DACH-Region, mit Fokus auf die Qualität und Wirksamkeit ihres E-Mail-Marketings. Die Ergebnisse liefern fundierte Benchmarks – und legen schonungslos offen, wo noch viel Luft nach oben ist.

Die gute Nachricht: E-Mail lebt. Die schlechte: Viele Unternehmen behandeln den Kanal wie vor 20 Jahren. Wer 2025 Wirkung erzielen will, muss sich vom alten Versanddenken lösen – und echten Dialog ermöglichen.

1. Zwischen Frequenzrekorden und Relevanzkrise

Die Zahlen sind beeindruckend:

  • 29 % der Unternehmen haben 2024 mehr E-Mails verschickt als im Vorjahr.
  • Seit 2021 haben 25 % ihre Versandfrequenz verdoppelt.

Doch Wachstum allein ist kein Erfolgsgarant. Denn gleichzeitig verzichten 35 % vollständig auf personalisiertes Tracking, Datenabfragen oder Feedbackmechanismen. Nur jedes zehnte Unternehmen kombiniert diese Tools sinnvoll.

Fazit: Mehr E-Mails ≠ mehr Wirkung. Ohne relevante Inhalte und personalisierte Ansprache verursacht selbst die beste Technik nur Lärm.

2. Onboarding: Erste Chance – oft verspielt

43 % der Unternehmen lassen neue Leser mehr als 30 Tage auf die erste inhaltliche Mail warten. Dabei wäre gerade der Moment nach der Anmeldung der perfekte Einstieg für echten Dialog.

Nur 35 % versenden eine dedizierte Willkommensmail. Und:

  • Nur 5 % nutzen eine mehrstufige Onboarding-Strecke.
  • Ein Drittel verzichtet komplett auf eine Handlungsempfehlung („Next Best Action“).

Warum das problematisch ist? Aufmerksamkeit ist endlich. Wer sie nicht nutzt, verliert sie. Und möglicherweise auch den Lead.

3. Reaktivierung? Fehlanzeige.

Wenn Empfänger über Monate nicht reagieren, passiert meist – nichts. 

  • 69 % der Unternehmen senden auch nach einem Jahr Inaktivität einfach weiter
  • nur 13 % reduzieren die Frequenz
  • 18 % stoppen den Versand.

Risiko: Inaktive Kontakte senken die Zustellbarkeit und schaden der Domain-Reputation. Frühzeitige Reaktivierungsstrecken fehlen oft – obwohl sie technisch meist mit wenigen Klicks umsetzbar wären.

4. Barrierefreiheit: Gesetz kommt – und betrifft auch Schweizer Unternehmen (zum Teil)

Ab Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft – und betrifft auch Schweizer Unternehmen, sofern sie Ihre Dienstleistungen oder Produkte auch in der EU anbieten.

Details dazu gibt’s in unserem Blogartikel:
Barrierefreiheit in der digitalen Werbung – Was das neue EU-Gesetz für Marketer in der Schweiz bedeutet

Wie fit sind Unternehmen in Bezug auf das BFSG?

  • Nur 13 % der untersuchten Mails erfüllen die Mindestanforderungen​.
  • Nur 29 % achten auf Kontraste und lesbare Schriftgrössen.
  • Nur 36 % sind screenreader-kompatibel​.

Wer Barrieren nicht abbaut, schliesst Zielgruppen aktiv aus – rechtlich und wirtschaftlich.

5. Datenstrategie: Wo bleibt der Kundennutzen?

Nur 9 % der Unternehmen kommunizieren konkrete Vorteile für Datenfreigabe oder Tracking. Dabei wären genau diese Argumente entscheidend, um Vertrauen aufzubauen und Daten freiwillig zu erhalten.

Typische Fehler:

  • Vage Formulierungen à la „Wir optimieren Ihr Erlebnis“.
  • Kein Hinweis, was der User konkret davon hat.

Besser wäre:
„Sag uns deine Lieblingskategorie – wir schicken dir nur relevante Angebote.“
„Mit deinem Geburtsdatum bekommst du exklusive Geburtstagsvorteile.“

6. Was gute E-Mail-Marketer anders machen

Die Top-Performer – REWE, EMP, ZooRoyal – setzen auf:

  • Konsequentes Onboarding
  • Rechtssichere Kommunikation
  • Stringente Gestaltung
  • Feedback-Integration
  • Transparente Datenstrategie

Sie nutzen die E-Mail nicht nur als Versandkanal, sondern als Bühne für echten Kundendialog.

7. Technik ja – Umsetzung eher nein

Zwar verwenden 83 % einen dedizierten E-Mail-Service-Provider, und 67 % sogar zertifizierte Mailserver. Doch bei der tatsächlichen Nutzung hapert es:

  • Nur 37 % schützen ihre Domain umfassend.
  • 43 % haben keinen Überblick, wer Mails über ihre Domain sendet (DMARC-Reporting fehlt).
  • Nur 6 % nutzen BIMI (Brand Indicators for Message Identification) inkl. Logoanzeige in der Inbox.

Und auch beim Einsatz von Automatisierung gibt es eine Diskrepanz: 63 % der Unternehmen mit entsprechender Software nutzen keine Willkommens- oder Reaktivierungsmails.

8. Gestaltung: Scrollen ohne Ende?

Die meisten Templates werden länger. 37 % der Newsletter sind über fünfmal scrollbar. Doch mehr Inhalt bedeutet nicht automatisch mehr Wirkung – im Gegenteil:

  • Wichtige Inhalte rutschen nach unten.
  • Mobile Nutzer springen ab.
  • Der CTA wird übersehen.

Lösung: Priorisieren. Gliedern. Kürzen. Oder: Mit interaktiven Elementen arbeiten – auch wenn diese bislang nur 4 % der Unternehmen einsetzen.

9. Mobile First? Eher Mobile Maybe.

85 % nutzen Responsive Design – klingt gut. Aber:

  • Nur 29 % passen Inhalte aktiv an (z. B. andere Textblöcke für Mobile).
  • Nur 1 % verfolgt eine echte Mobile-First-Strategie.

Dabei gilt: Wer nicht für den mobilen Erstkontakt optimiert, verliert Öffnungen, Klicks – und letztlich Umsatz.

Fazit: E-Mail-Marketing kann mehr. Wenn man es zulässt.

Die Benchmark-Studie zeigt eindrücklich: Die technischen Voraussetzungen sind da. Die Tools sind da. Die Empfänger sind da. Aber was oft fehlt, ist der Wille zur echten Nutzerzentrierung.

Wer heute E-Mail-Marketing machen will, das funktioniert, braucht:

  • Relevanz vor Frequenz
  • Dialog statt Monolog
  • Zugänglichkeit statt Ausschluss
  • Nutzerführung statt Zufall
  • Verantwortung statt Datenhunger

Handlungsempfehlungen – konkret und pragmatisch

  1. Onboarding automatisieren
    Versand in <24h, mehrstufig, mit klarer Next Best Action.
  2. Datenstrategie überarbeiten
    Mehrwert kommunizieren. Transparenz stärken.
  3. Tracking und Feedback kombinieren
    Fragen, zuhören, auswerten.
  4. Barrierefreiheit priorisieren
    Checkliste: Kontraste, Screenreader, semantisches HTML.
  5. Inaktive reaktivieren – oder loslassen
    Weniger ist mehr. Gilt auch für alte Kontakte.

Bezugsquelle der Studie

Die vollständige Studie „E-Mail-Marketing Benchmarks 2025“ ist erhältlich unter:
https://www.absolit.de/studien/e-mail-marketing-benchmarks